FRÜHE INTERVENTIONEN
SUFFRAGETTEN – EXTREMISTINNEN DER SICHTBARKEIT

  23.9 - 27.9.2010
Zeughauskino, Berlin
77 Filme   Eröffnung Donnerstag 23.9.2010   Freitag, 24.9.2010   Samstag, 25.9.2010   Sonntag, 26.9.2010   Montag 27.9.2010  


Rosalie et Léontine vont au théâtre, F 1911, BFI

 

 

Anfang des 20. Jahrhunderts eroberte die Bewegung für das Frauenwahlrecht, die Suffragettenbewegung, auch das Kino. Auf den Straßen der Städte war eine soziale Kraft spürbar geworden, die große Ängste provozierte und nicht mehr zähmbar schien:
Da organisierten sich doch tatsächlich Frauen, noch dazu oft Wohlbehütete des Bürgertums, und forderten ihre Beteiligung an demokratischen Prozessen! 1913 saßen schon mehr als 1000 Suffragetten wegen ihrer politischen Kämpfe im Gefängnis.

Neben Karikaturen in den Printmedien entstanden zum einen Wochenschauen und Aktualitäten, die den Kampf vor allem der englischen Suffragetten, ihre Demonstrationen und Paraden dokumentierten. Zum anderen wurden unzählige Komödien produziert, die sich auf die Emanzipations-Bewegungen der Suffragetten in einer Ambivalenz von Subversion und Affirmation bezogen. Die meisten dieser Filme erzählten dem Publikum, dass Frauen ins Haus gehörten und nicht an die Wahlurne. Sie zeigten wild gewordene Furien, die im Zuge ihres Engagements vermeintlich männliche Züge annehmen, ihre Familien vernachlässigten und öffentliche Gebäude anzündeten. In den (Anti-) Suffragettenfilmen sind die Frauenrechtlerinnen oft Fehlgeleitete, die wieder auf den richtigen Weg gebracht werden müssen – mit den entsprechenden Spielräumen für eine komplizenhafte Schaulust auf allen Seiten.

In etlichen Filmen verkleiden sich auch Männer als Suffragetten und Streikende. Faszinierend unklar ist dabei die Funktion ihres Rollenspiels: Möchten diese Filme das Unangemessene und Groteske der weiblichen Rollenüberschreitung illustrieren? Oder gestattet es das männliche Rollenspiel, umso wilder gegen die herrschende Ordnung rebellieren zu können?

FRÜHE INTERVENTIONEN stellt 77 Filme mit Musikbegleitung über, für und gegen die Suffragetten vor und präsentiert außerdem frühe Filme zu weiblicher Arbeit und Klassenverhältnissen, zu Geschlechter-Inszenierungen, Crossdressing und Hysterie, zu frühen Stars und athletischen Artistinnen. Anhand rarer Filmbeispiele vor allem aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg ist ein noch wenig normiertes Kino zu entdecken: ein Kino, das sich selbst beim Erfinden zusieht und das gerade im Begriff ist, sich ein eigenes Publikum zu schaffen.

Im Foyer des Zeughauskino wird es eine Installation mit Materialen aus den National Archives in London, ausserdem das Video „I would be delighted to talk Suffrage“ von Fiona Rukschcio (GB 2003/5, 30 Min mit: Althea Greenan, Musik: Nick Cash, engl. OV) und einen Lichtkasten und eine Bildtafel von Madeleine Bernstorff zum Thema geben.


20 Uhr

Radical maid(en)s / Radikale (Haus-)Mädchen
erzählt über die unbändigen Ausbrüche junger Mädchen, über Klassenverhältnisse und über Radikalisierungen. So wie im Wanderkinematograph Sedgwick könnte es ausgesehen haben, das Publikum: eine fröhliche, undisziplinierte Menge aus Männern, Frauen und Kindern. Schon 1907 griff Pathé mit La Grêve des bonnes das Spektakel der wild gewordenen streikenden Frauen im öffentlichen Raum auf: Mit zweisprachigen Transparenten „Lang lebe der Streik! Nieder mit den Bossen!“ toben sie durch die Straßen und verprügeln Polizisten. >>>


Einführung: Madeleine Bernstorff
Klavierbegleitung: Stephen Horne

  18 Uhr   18 Uhr   18 Uhr   18 Uhr  

Kuratorinnen der Filmreihe sind Madeleine Bernstorff und Mariann Lewinsky.

In Kooperation mit folgenden Archiven:
Deutsche Kinemathek, Berlin - Cineteca di Bologna - Filmarchiv Austria, Wien - British Film Institute / National Archive, London - EYE Institute Nederlands, Amsterdam - CNC Archives Françaises du Film, Paris - Kinemathek Hamburg/Metropolis Archiv - Lobster Films, Paris - Cinémathèque Française, Paris - Museo Nazionale del Cinema Turin - Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung, Wiesbaden – Gaumont Pathé Archives, Paris

Gefördert durch den Hauptstadtkulturfonds

Der Fanatismus der Suffragettes
Ein Vortrag von Madeleine Bernstorff mit Bild- und Filmbeispielen.

Eintritt frei

Im Anschluss präsentiert Mariann Lewinsky die DVDs Cento anni fa: Attrici comiche e suffragette 1910-1914 / Vor 100 Jahren: Komikerinnen und Suffragetten 1910-1914 und Cento anni fa: European Cinema of 1909
  La Neuropatologia
Ein Vortrag von Ute Holl
mit Vorführung des Films La Neuropatologia (I 1908)
Eintritt frei
 

Re-Reading Steinach
Vortrag und Videopräsentation von Mareike Bernien
Eintritt frei

  Die politische Inszenierung der Suffragetten
in England

Ein Vortrag von Jana Günther
mit Vorführung des Films A Militant Suffragette /A Busy day (Charlie Chaplin USA 1914)
Eintritt frei
 
19 Uhr   19 Uhr   19 Uhr   19 Uhr  
Militanzen
Einführung: Madeleine Bernstorff
Klavierbegleitung: Stephen Horne
  Inszenierung und Abbildung: Ein kinematographisches Studio
Einführung: Madeleine Bernstorff
Klavier-, Thereminbegleitung: Wieslaw Pipczynski
  Mann/Frau/Norm/Kino
Einführung: Mariann Lewinsky und Madeleine Bernstorff
Einführung zum Schutzmannlied: Dirk Foerstner
Klavier-, Thereminbegleitung: Wieslaw Pipczynski
 

Die Suffragette
Einführung: Karola Gramann und Heide Schlüpmann
Klavierbegleitung: Eunice Martins

 
21 Uhr   21 Uhr   21 Uhr   21 Uhr  
Frauen-Alltag und -Freizeit
in der Mitchell & Kenyon -Sammlung.

Eine Präsentation von Vanessa Toulmin
Klavierbegleitung: Stephen Horne
  Funkelnde Sterne, athletische Frauen, erste Stars
Einführung: Mariann Lewinsky
Klavierbegleitung: Eunice Martins
an den Plattenspielern: Julian Göthe
  Die Frau von morgen
Klavierbegleitung Eunice Martins
  Das Jahr der Leibwache  
       


Filmprogramm:

Donnerstag 23.9.2010
Freitag 24.9.2010
Samstag 25.9.2010
Sonntag 26.9.2010
Montag 27.9.2010

Beteiligte

Pressetext als pdf

Der Fanatismus der Suffragettes (Video, ca. 18min)

english: Luke McKernan`s "The Bioscope":
http://bioscopic.wordpress.com/2010/08/18/suffragettes-before-the-camera/

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