FRÜHE INTERVENTIONEN
SUFFRAGETTEN – EXTREMISTINNEN DER SICHTBARKEIT

  Freitag, 24.9.2010  
  18 Uhr  


Les Femmes députées, F 1912. Lobster Films


Scenes in the Record Demonstration of Suffragettes in London, BFI


Scenes from Newcastle, BFI


Frauen-Alltag und -Freizeit in der Mitchell & Kenyon -Sammlung, alle Stills BFI

 

Der Fanatismus der Suffragettes
Ein Vortrag von Madeleine Bernstorff mit Bild- und Filmbeispielen.

Eintritt frei

Die gesellschaftspolitische Anmaßung der Frauenrechtlerinnen und Suffragetten, sich an Politik zu beteiligen wird deutlich, wenn man die unzähligen Karikaturen der säumigen Mutter, der militanten Zankteufel, der hysterischen dicken Schwestern und der mageren Mannweiber Revue passieren lässt. Die Bildproduktion der Suffragetten-Gegner war massiv, dennoch erzeugten die Bewegungen für das Frauenwahlrecht durchaus erfolgreich eine Gegenöffentlichkeit mit vielfältigen Inszenierungen, Plakaten, Fotos und Werbematerial.

In der Lichtbildbühne vom Dezember 1912 wird warnend angemerkt: „Der Fanatismus der Sufragettes hat schon wieder eine neue Kampfmethode erdacht, um dem tief gehassten männlichen Geschlecht, vor allem aber der ihre Bestrebungen hemmenden Staatsregierung zuleibe zu gehen. Bei allen künftigen Veranstaltungen und Aufzügen der Suffragettes werden sie sich von weiblichen Kinooperateuren begleiten lassen, um sofort alle „Übergriffe“ der Polizei kinematographisch aufnehmen zu können. Die Films sollen dann im ganzen Lande den Frauen vorgeführt werden, damit die Geschlechtsgenossinnen in den kleineren Städten ersehen können, mit welchen Schwierigkeiten die Frauenbewegung zu kämpfen hat. Dieses neue Propagandamittel soll, um das Kind beim richtigen Namen zu nennen, die Frauen der Provinzstädte, die bisher von der hässlichen Bewegung verschont blieben, aufhetzen und zu grösseren „Heldentaten“ aufmuntern...“ Ähnlich der Arbeiterbewegung, die vehement Einspruch erhob gegen Bilder von verantwortungslosen Arbeitern und gewalttätigen Streikenden, verurteilten die Suffragetten die verzerrte kinematographische Darstellung ihres Kampfes.

Im Anschluss an den Vortrag von Madeleine Bernstorff präsentiert Mariann Lewinsky die DVDs Cento anni fa: Attrici comiche e suffragette 1910-1914 / Vor 100 Jahren: Komikerinnen und Suffragetten 1910-1914 und Cento anni fa: European Cinema of 1909

 
19 Uhr  

Militanzen
Einführung: Madeleine Bernstorff
Klavierbegleitung: Stephen Horne

Die radikale englische Womens Social Political Union (WSPU) unter der autokratischen Leitung von Emmeline Pankhurst kämpfte seit 1903 für politische Frauenrechte. Sie organisierte Demonstrationen, Kampagnen und unzählige Petitionen. Um 1910 radikalisierte sich das Vorgehen der WSPU. Ihre Mitglieder benutzten Militanz und Gewalt zur Herstellung von Öffentlichkeit; die Repression wurde daraufhin stärker. Viele Komödien beziehen sich auf die englische Bewegung der WSPU. Die Non-Fiction-Filme zeigen ein geordneteres Bild: Lange Aufmärsche in weißen Kleidern, mit den Insignien des Holloway-Gefängnisses und mit Transparenten wie „Taxation without Representation is Tyranny“. In Les Femmes députées kandidieren Madame Dupont und Madame Dubois gegeneinander, im strengen Tweedkostüm und mit gestreifter Krawatte. Reden, Plakatierschlachten, Wahlwerbung bei den Gemüsefrauen und Parlamentsdebatten, all dies habe zur Folge, dass die Ehemänner mit Haushalt und die Babies ohne Obhut alleingelassen sind, und es diesen Ehemännern einzig bleibt, sich mit ihren männlichen Leidensgenossen - mit Schleifen der Pariser Ammen an ihren Zylindern - zum Babyvergleich zu treffen... Ein geplagter Ehemann träumt noch 1918, als Premierminister drakonische Strafen gegen aktionistische Suffragetten zu erlassen, um sie in ihrer Militanz zu zermürben (Milling the Militants), doch mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs stellten sich die meisten Suffragetten in den Dienst der nationalen Kriegssache und verzichteten darauf, das Wahlrecht zu fordern. Der frühe Anti-Kriegsfilm Dans le sous-marin endet mit einer Allegorie: Die Friedensgöttin Pax wacht über die Zerstörung der Waffen.

Die Parlamentsfrauen
(Les Femmes députées)
F 1912 D: Madeleine Guitty 154m 8’

Scenes in the Record: Demonstration of Suffragettes
GB Pathé 19. June 1910
52m 3’16 35mm

England. Scenes Outside The House Of Commons 28 January 1913
2’

Trafalgar Square Riot 10 August 1913 1913

2’

Die Militanten zermürben
(Milling The Militants: A Comical Absurdity)
GB 1913 Clarendon Films R: Percy Stow 147m 8’

St. Leonards Outrage
F 1913 21m 1’

Womens March Trough London: A Vast Procession
Of Women Headed By Mrs Pankhurst. March Through London To Show The Minister Of Munitions Their Willingness To Help In Any War War Service

GB 1915 23m 1’

Scottish Women’s Hospital Of The National Union Of Women’s Suffrage Societies
F 1917 133m 6’30

Im Unterseeboot
(Dans le sous-marin)
F 1908 Pathé 145m 5’

21 Uhr

Frauen-Alltag und -Freizeit
in der Mitchell & Kenyon -Sammlung.

Eine Präsentation von Vanessa Toulmin
Klavierbegleitung: Stephen Horne

Die legendäre Mitchell & Kenyon-Sammlung bietet einen einzigartigen Einblick in das Leben zur Zeit der vorletzten Jahrhundertwende. Dieses von Vanessa Toulmin ausgewählte Filmprogramm erschließt Frauen-Alltag und -Freizeit in der Mitchell & Kenyon Sammlung, erläutert Arbeitsbedingungen und soziale, politische Hintergründe: Mädchen, die in den Kohlegruben arbeiten, Spinnerei-Arbeiterinnen und Weberinnen, die aus den Fabriken des industrialisierten Englands kommen. Das häusliche und industrielle Umfeld illustriert die Bandbreite weiblicher Arbeit und die Rolle der Frauen im Übergang zur modernen Gesellschaft. Die 1900er Jahre waren die Zeit großer Veränderungen am Arbeitsplatz und wachsender Mobilität auf der Straße, die Konsumkultur bot den Frauen zusätzlich soziale Räume der Teilhabe. Straßenszenen mit den ersten Kaufhäusern in Manchester und Liverpool, Strandszenen in Blackpool zeigen Arbeiter_innen in ihrer Freizeit. Diese Auswahl aus der M&K-Sammlung wird bisher ungesehenes Material vorstellen. Vanessa Toulmin, die die Sammlung bearbeitet und mehrfach zu Mitchell & Kenyon publiziert hat, wird anschließend über ihre Forschungen berichten.

Arbeiterinnen
The‘Hands’Leaving Work at North-Street Mills, Chorley (1900)
North Sea Fisheries, North Shields (1901)
Employees Leaving Gilroy's Jute Works, Dundee (1901)
S.S Skirmisher at Liverpool (1901)
Birmingham University Procession on Degree Day (1901)
Life in Wexford (1902)
Black Diamonds - The Collier's Daily Life (1904)

Soziales Umfeld der Frauen
Liverpool Street Scenes (1901)
Jamaica Street, Glasgow (1901)
Manchester Street Scenes (1901)
Manchester Band of Hope Procession (1901)
Electric Tram Rides from Forster Square, Bradford (1902)

Freizeit und Spiel
Sedgwick's Bioscope Showfront at Pendlebury Wakes (1901)
Spectators Promenading in Weston Park, Sheffield (1902)
Trip to Sunny Vale Gardens at Hipperholme (1901)
Bootle May Day Demonstration and Crowning of the May Queen (1903)
Blackpool Victoria Pier (1904)
Greens Racing Bantams at Preston Whit Fair (1906)
Calisthenics (c. 1905)